Archiv News Thema Veranstaltungen

KOSA Online Talk vom 6.3.2024 – Aufzeichnung

Es ist eine vielschichtige Erkrankung, die ein großes Risiko für die Gesundheit darstellt. Adipositas hat negative Konsequenzen für das Organsystem und wird mit zahlreichen chronischen Komorbiditäten assoziiert. „Wer stark übergewichtig ist, hat ein erhöhtes Risiko für viele Krankheiten, etwa Typ-2-Diabetes, verschiedene Krebsarten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder chronische Atemwegserkrankungen“, so Urs Schaden, Facharzt für Innere Medizin mit den Schwerpunkten Diabetologie und Ernährungsmedizin aus Düsseldorf.

Die Schuldfrage bei Adipositas
Die Ursachen allein auf ungesunde Ernährung und einen Mangel an Bewegung zu schieben, werde der Komplexität nicht gerecht. Auch Schlafmangel, Stress, Depression, die ständige Reizüberflutung durch hochkalorische Nahrungsmittel mit geringem Nährwert und größere Portionen bei den Mahlzeiten als früher seien „Adipositas-Trigger“. „Es ist eine Erkrankung, kein Fehlverhalten! Das ist ein ganz wichtiger Fortschritt im Denken“, so Schaden.

Für diese Auffassung kämpft auch Christel Moll, die erste Vorsitzende des Adipositas Verbands Deutschland e. V. Sie hat ihn 2006 in NRW gegründet und gibt Einblick in das Leid von Betroffenen. Fast alle haben ein schlechtes Selbstwertgefühl, igeln sich zuhause ein, gehen nicht mehr raus, schämen sich. „Von Kindheit an wird suggeriert, durch Bewegung werde es besser. Viele schaffen das aber nicht … In den Selbsthilfegruppen stärken wir uns gegenseitig den Rücken. Wir möchten mit unseren Kampagnen das gesellschaftliche Bewusstsein verändern. Nach wie vor sehen sich dicke Menschen viel Häme und Vorurteilen über angebliche Willensschwäche ausgesetzt.“

Hohe Hürden bei Therapie
Außerdem ist es ihrem Verband ein großes Anliegen, die therapeutische Situation der Versorgung zu verbessern. Wie die aussieht, erläuterte Prof. Dr. med. Christine Joisten, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Sportmedizin und Ernährungsmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln. „Therapieoptionen sind Ernährungstherapie, Bewegungstherapie, Verhaltenstherapie. Dazu gibt es Gewichtsreduktionsprogramme für bestimmte BMI-Klassen, dann medikamentöse oder chirurgische Therapie.“

Rare Therapieplätze, finanzielle Selbstbeteiligung bei den als Lifestylepräparaten eingestuften Medikamenten oder bei einer Ernährungstherapie – das sind für viele Patienten Hindernisse. Christel Moll hofft daher auf die baldige Umsetzung des vom GBA beschlossenen Disease-Management-Programms (DMP) für Erwachsene mit Adipositas, weil hier eine strukturierte therapeutische Begleitung der Patienten vorgesehen ist.

Permanentes Kämpfen gegen inneren Set-Point
Dass der Kampf ums Körpergewicht kein einfacher ist, zeigten die medizinischen Experten auch anhand der Set-Point-Theorie: Ihr zufolge ist für jedes Individuum eine bestimmte Gewichtsklasse festgelegt. Das System wird alles daransetzen, das Gewicht wieder zu erlangen. Durch Hormone oder Verhaltensweisen kehren wir immer wieder auf das höchste erreichte Gewicht zurück, wie ein Gummiband. Für Prof. Joisten umso wichtiger ist daher Gesundheitskompetenz, also zu wissen, was gesund ist und einem gut tut, auch zu lernen, mit Verführungen umzugehen und welche Stellschrauben wir haben.

Mental stärken
Schaden und Joisten erarbeiten mit ihren Patienten verständliche, realistische Ziele, keine Anordnungen. „Runterbrechen auf kleine Schritte“, nennt Joisten das. Neben der medikamentösen Behandlung behalten sie auch deren soziale, psychische Situation passgenau im Auge. „Wir müssen bei uns selbst anfangen, wo ist mein Hebel, was kann ich tun? Bewegung statt Sport reicht, und es muss zu einem passen!“

Denn auch wenn man durch Sport nicht so viel abnehme wie gewünscht, bleibe der gesundheitliche Nutzen. Bewegung ist und bleibe ein „Must-Have“ in der Therapie, so Schaden. Denn „Every move counts.“
https://youtu.be/iB5MC-bEYas?si=BmLYpl97U_pmOzZa